Montag, 25. Oktober 2010

"Und taeglich gruesst..." - Alltag in der Schule

Update mit neuen Bildern!

Mit diesem Blogeintrag wollte ich euch mal einen detailierteren Einblick in meinen Arbeitsalltag geben.

Gegen halb 7 verlasse ich das Haus und mache mich auf den Weg zu meiner Bushaltestelle. Nach etwa 10 Minuten Fussweg bin ich dann in der richtigen Strasse angekommen und warte mal laenger mal kuerzer auf meinen Bus.

In Quito gibt es uebrigens fast keine Busfahrplaene. Nach bestimmten Zeiten wird sowieso nicht gefahren und einzig die drei Hauptbuslinien, die alle von Norden nach Sueden fuehren, fahren auf einer gesonderten Busspur und haben dort vorgeschriebene Haltestellen, an denen sie auch jedes Mal anhalten.
Die unzaehlbar vielen anderen Verbindungen haben zwar auch hin und wieder ein "Parada" (=Haltestelle)-Schild, an dem sich auch meistens die Leute sammeln, man kann die Busse jedoch auch einfach per Handzeichen zum stehen bewegen.
Dabei sollte man sich als Mann aber nicht wundern, wenn der Bus langsam (oder auch ein bischen schneller) weiterfaehrt, da Maenner im allgemeinen zum Aufspringen bereit sind. Fuer Frauen wird jedoch eigentlich immer angehalten. Es gibt also doch noch Kavaliere ;)

Nach knapp 20 Minuten Busfahrt steige ich dann (manchmal, aber nicht immer durch das rufen von: "Gracias") bei meiner Schule aus.
Dort habe ich dann meist noch zwischen 5 und 10 Minuten Zeit, bevor es zum "Morgenappell" geht.

Wenn es klingelt sammeln sich alle Kinder auf dem Schulhof und stellen sich nach Klassen, Groesse und Geschlecht geordnet auf.
Eine Lehrerin erzaehlt dann ggf. noetige Informationen oder singt mit den Kindern zusammen ein Lied. Manchmal muessen die Kinder ein wenig auf der Stelle marschieren oder huepfen, was die Meisten dann auch wachruettelt. Oft wird aber auch ein Lied gesungen und montags meist die Nationalhymne.

Hier seht ihr die Kinder bei ein wenig Morgengymnastik in Form eines Tanzes:



Danach geht es fuer Julika und mich um halb 8 in die 3te Klasse, was (vom Alter her) der ersten Klasse in Deutschland entspricht.


Dort bringen wir den Kindern hauptsaechlich Vokabeln bei, was wir sowohl als Frontalunterricht, mit Hilfe des Buches, als auch spielerisch gestalten.

So haben wir ihnen zum Beispiel ein paar Dinge aus dem Wohn- und Esszimmer beigebracht, indem wir zuerst die Kinder verschiedene Begriffe aus den Raeumen haben sagen lassen.
Anschliessend gab es dann noch 1 - 2 Uebungen aus dem Englischbuch, was die Kinder seit diesem Monat besitzen.
Zur Wiederholung haben wir dann ein kleines Spiel gemacht:

Julika hat verschiedene Gegenstaende an die Tafel gemalt und ich dazu kleine Zettel vorbereitet, auf denen die Englischvokabeln stehen und die man ankleben kann.
Jedes der Kinder hat dann eine dieser Karten bekommen und auf Kommando mussten alle Kinder ihre Karte beim richtigen Bild platzieren.


In der zweiten Klasse arbeiten wir fast ausschließlich mit Malaufgaben, da die Kinder erst in diesem Jahr das Schreiben lernen.


Vor ein paar Tagen hat die Lehrerin der Zweiten uns diverse Stempel gegeben, mit denen wir nun auch arbeiten können, damit der Unterricht nicht zu eintönig wird.
Die Schüler haben zwar auch alle ein Buch, dort wird aber viel Schreibarbeit verlangt, die die Kinder ja noch nicht leisten können.


In der vierten und fünften Klasse machen wir viel Frontalunterricht unterstützt von Übungen aus dem jeweiligen Englischbuch. Dabei machen wir auch viele Wiederholungen, da wir gemerkt haben, dass die Kinder dies nötig haben um nachhaltig zu lernen.


Nach einer guten Stunde wird zur Belohnung auch mal gespielt. Hier beim Anfang eines Fangen-Spiels:


Ein Blick in die "Quarto de Básica":


Julika erklaert das Wort: "Ship"


Und ich korrigiere im Anschluss die Aufgabe aus dem Buch:



Letzten Freitag haben wir in der 4ten Klasse einen Test geschrieben. Während des Testes habe ich schon viele Fehler entdeckt, was bei mir eine gewisse Resignation hervorgerufen hat, weil die Kinder eigentlich langsam alles wissen müssten. Oder zumindest den größten Teil.

Nachmittags haben Julika und ich dann den Test zusammen korrigiert und unsere Stimmung hat sich ein wenig gebessert, da der Test letzlich nicht SO schlecht ausgefallen war, wie wir befürchtet haben.

Außerdem hatte ich den Test Dani und Paula (meinen Gastschwestern, die in der vierten und fünften Klasse sind) gezeigt und sie meinten der Test wäre sehr einfach.
Als wir nach dem Korrigieren Paula noch eine Kopie gegeben hatten, hatte sie aber sehr große Probleme, was uns (nach einem Blick in ihr Englischheft der Fünften) dann gezeigt hat, dass wir wohl ein recht hohes Niveau des Englischen unterrichten.
Das relativiert das Ergebnis des Testes auch wieder, weswegen wir doch recht zufrieden sein konnten.
Jetzt bleibt nur abzuwarten, wie die Kinder das Ergebnis des Testes auffassen.


Im Anschluss ist die große Pause, in der wir uns meist in die Küche begeben, wo wir einen kleinen Imbiss zu essen bekommen. Die Kinder können sich diesen Imbiss ebenfalls für ca. 50 Cent (variert je nach dem angebotenen Imbiss) kaufen.
Dabei gibt es jeden Tag etwas anderes zum Beispiel:

- Reis mit Huhn,
- Kartoffeln mit Spiegelei,
- Empanadas (eine Teigspezialität aus Ecuador, gefüllt mit Käse)
- Tomaten-Zwiebelsalat mit kaltem Huhn,
usw.

dazu gibt es dann Trinkyoghurt, manchmal Tee, aber meist irgendeinen Obstsaft. Zum Beispiel:

Jugo de ... (= -saft)
... Frutilla (Erdbeer-)
... Pina (Ananas-)
... Pera (Birne-)
... Naranja (Orangen-)
... Naranjida (Mandarinen-)
... Tomate del arból (Eine Tomatensorte, die am Baum wächst)
usw.

Hier ist ein Bild aus der Kueche. Links, wo grade der Junge mit dem roten Sportanzug steht, ist die Tuer:


Links ist die Direktorin Jenny, im Vordergrund deren Mutter, die fuer uns kocht. Dahinter (rosaner Pullover) noch eine Frau, die ab und zu kocht und dahinter Patty, die Lehrerin der sechsten und siebten Klasse. Ganz rechts sitzt Jennys Bruder, der Sport unterrichtet.

Hier noch ein paar Bilder aus der Pause:




Unter anderem Volleyball - ohne Netz:

Nach der Pause geht es für Julika und mich in die sechste Klasse. Dort können wir schon recht produktiv arbeiten, auch wenn wir das aktuelle Thema 2-3 Mal oder öfter wiederholen müssen, bis alle es verstanden haben.
Auch hier arbeiten wir teilweise frontal und teils mit dem Buch. Ebenso geben wir in allen Klassen fast täglich Hausaufgaben (in der 2ten und 3ten Klasse weniger) auf, die eine weitere Übung für die Kinder darstellt und uns gut zeigt, wer das Thema tatsächlich verstanden hat.

Hier ein Bild aus der sechsten Klasse:


Zum Schluss unterrichten wir die siebte Klasse, in der wir einen großen Reifeunterschied zur Sechsten festgestellt haben. Ist die sechste Klasse auf der einen Seite noch recht kindisch (Sie sind ja auch erst um die 10-11 Jahre alt), ist die Siebte schon etwas skeptischer und manchmal auch auf "jugendlichere" Art aufmüpfiger. Aber auch hier gibt es noch viele kindische Eigenarten der SchülerInnen.

Doch macht es in diesen beiden Klassen zur Zeit am meisten Spaß zu unterrichten. Im Vordergrund ist noch eine Schuelerin der sechsten Klasse zu sehen, dahinter dann die Siebte. Ja, sie teilen sich einen Klassenraum und auch eine Lehrerin.


Kürzlich haben wir die siebte Klasse aufgeteilt: Julika hat mit ca. der Hälfte "Present Progressiv" wiederholt, da diese Kinder das Thema noch nicht verstanden hatten (u.a. ein Junge, der schon 14 ist, aber bis vor 2 Wochen noch die 5te Klasse besucht hatte und nun viel aufzuholen hat).
Mit der anderen Hälfte habe ich dann ein wenig Diktat geübt, was die Kinder ebenfalls sehr dringend nötig haben, da ihre Rechtschreibung (wenn sie frei schreiben müssen) sehr schlecht ist. Sprich etwa die Hälfte oder mehr der Wörter die sie schreiben ist falsch.


Dann ist es ca. halb 1 und wir machen uns auf den Weg nach Hause.

Ein- bis zweimal die Woche treffen Julika und ich uns nachmittags um den Unterricht für die kommenden Tage vorzubereiten.
Dabei sind wir jedoch sehr flexibel und passen den Unterricht immer den Bedürfnissen der Kinder an. Wenn wir z.B. unter der Woche feststellen, dass die Kinder noch weitere Übungen zu einem Thema benötigen, können wir einfach die folgenden Sachen soweit aufschieben, wie es nötig ist.
Da wir keinem Lehrplan verpflichtet sind, können wir so sehr frei die Stunden gestalten und so auch für etwas Abwechslung sorgen.

Wir orientieren uns seit diesem Monat (denn erst seit diesem Monat hat die Mehrheit der Kinder die Bücher) aber besonders an den Englischbüchern, da wir so mit diesen arbeiten können und festgestellt haben, dass die Bücher aufeinander aufbauen, sodass ein jahresübergreifendes Lernen möglich ist.

Als wir anfangs noch keine Bücher hatten, haben uns vor allem die Englischmappen unserer Vorgängerinnen geholfen, in denen sie festgehalten haben, was sie in welcher Klasse unterrichtet hatten.

Julika und ich waren von der Idee und der Hilfe, die sie uns waren, so begeistert, dass wir nun ebenfalls Mappen für alle Klassen anlegen, um unseren NachfolgerInnen ebenfalls einen leichten Einstieg zu ermöglichen.


Alles in allem macht es mir (und auch Julika) viel Spaß in diesem Projekt zu arbeiten, auch wenn es ab und zu etwas anstrengend ist.
Aber die anderen LehrerInnen sind sehr nett und hilfsbereit und die Kinder schliesst man sehr schnell ins Herz.

Die einzige Frage, die ich mir bisher noch nicht beantworten konnte ist, was ich nach diesem Jahr machen will. Aber dafür habe ich ja auch noch ein wenig Zeit.

Liebe Grüße aus Quito, Ecuador
Dirk

PS: Hier ist noch ein Link zur Nationalhymne von Ecuador, damit ihr euch mal anhören könnt, was unsere Kinder (fast) jeden Montag beim Appell singen ;)
http://www.youtube.com/watch?v=fERHkk6BC7Q&feature=related

PPS: Julika fuehrt ebenfalls einen Blog ueber ihr Leben hier in Ecuador. Den Link zu ihrem Blog findet ihr bei den Links rechts ;)

Freitag, 1. Oktober 2010

Unruhen in Quito

Aus gegebenem Anlass noch mal ein kleiner Blogeintrag:

Gestern gab es in Quito und anderen Teilen Ecuadors Unruhen.

Ausloeser dafuer waren Kuerzungen von Bonuszahlungen der Polizei, die dazu fuehrten, dass ein Teil der Polizei den Praesidenten mit Traenengas angriff.

Dieser wurde daraufhin in ein Krankenhaus gebracht, was anschliessend von der rebellierenden Polizei umstellt wurde um den Praesidenten Rafael Correa am Verlassen des Gebaeudes zu hindern.

Waehrend den Stunden, in denen der Praesident "gefangen" gehalten wurde, entwickelte sich eine Diskussion, in der es letztlich darum ging, dass die Polizei nicht tun und lassen kann was sie will, da es sonst in einer Polizeidiktatur endet.

So haben sich die meisten Buerger, das Militaer, der NICHT rebellierende Teil der Polizei sowie saemtliche internationelen Organisationen und Staaten auf Seiten des Preasidenten gestellt.

Spaeter wurde der Praesident dann (scheinbar von einer Militaereinheit) aus dem Krankenhaus befreit und zum Praesidentenpalast gebracht.
Dieser liegt im "Centro Historico" von Quito am "Plaza de Independencia", wo sich (wie bei fast allen Demonstrationen) schon eine grosse Menschenmenge versammelt hatte.

Nach der Ankunft von Rafael Correa zeigte sich dieser noch auf dem Balkon und drohte den Drahtziehern schwere Sanktionen an.

In der Nacht kam es dann offensichtlich noch zu Ausschreitungen zwischen der rebellierenden Polizei und dem Militaer, wobei bis zu 3 Menschen gestorben sein sollen.

Heute ist es wieder ruhig auf den Strassen auch wenn, nach meinen Informationen, noch der Ausnahmezustand verhaengt wurde.


Mir geht es jedoch sehr gut. Gestern Mittag wurden wir von VASE (=ICJA in Ecuador) angerufen und haben die Order bekommen zu Hause zu bleiben, was wir dann auch alle getan haben.

So habe ich die Unruhen selbst auch nur im Fernsehen verfolgt.

Heute morgen bin ich dann auch nicht zur Arbeit gefahren, was aber mit dem Projekt abgestimmt war. Mittags wurde ich erneut angerufen und ich werde wohl das Wochenende ebenfalls zu Hause verbringen. Zum Glueck hatte ich keine besonderen Aktivitaeten fuer dieses Wochenende geplant :D

Alles in allem scheint die Krise ueberwunden zu sein und ich werde wahrscheinlich ab Montag wieder normal im Projekt arbeiten.

Liebe Gruesse aus einem wieder ruhigen Quito, Ecuador

Dirk